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„LOVERBOY“


Hänschen wurde zum Ritter ernannt: Feier im Chez Marie Claire.


Die Wohnung ist verwüstet und Schimanski gerät in einen „Fall“.


Am Tatort: Ein junger Niederländer wurde ermordet.


Schimanski befragt einen Klassenkameraden nach der verschwundenen Jessica.


„Loverboy“ Nils macht die Mädchen mit Drogen gefügsam.


Vulkanstraße: Schimanski befreit Jessica aus den Fängen von Nils.


Jessica lässt sich von Schimanski nichts sagen.


Im Knast: Schimanski bespricht sich mit dem „König vom Pott“.


Nils bringt Jessica nach Rotterdam.


Auch Susanne Mellert, die einen Hilfsverein leitet, und Schimanski kommen in Rotterdam an.


Mellert versucht, sich eine Weg durch die Zuhälter zu bahnen.


Showdown in Rotterdam.


Im Ruhrorter ArcelorMittal-Stahlwerk.

 Pressestimmen

„Du bist nur Statist“, erklärt Hauptkommissar Thomas Hunger (Julien Weigend) dem bereits vor 22 Jahren pensionierten Schimanski. Doch dieser erweist sich frisch wie eh und je und wird der Hauptrolle mehr als gerecht. An keiner Stelle von „Loverboy“ hat man das Gefühl, man sähe die Abschiedsfolge der Schimanski-Reihe. Ganz im Gegenteil. Vor zwei Jahren, in der Folge „Schuld und Sühne“, schien noch die gesamte Last des Polizeiberufs mit all seinen Widersprüchlichkeiten auf Horst Schimanski zu lasten, der dabei auch ein Stück Bilanz seines Lebensweges zog.
Diesmal behält der von Götz George verkörperte Ex-Kommissar etwas mehr Distanz zu dem ihm übertragenen Fall. Und dies, obwohl auch „Loverboy“ den Anspruch hat, ein gesellschaftlich relevantes Thema aufzugreifen: die Situation minderjähriger Mädchen mit unterentwickelten Selbstwertgefühl, die von kaum älteren „Loverboys“ in eine emotionale Abhängigkeit gebracht und auf den Strich geschickt werden. „Reinste Gehirnwäsche, morgens Mathe, abends Hure“, erklärt Susanne Mellert (eindrucksvoll: Anna Loos), die sich ehrenamtlich um die Opfer kümmert.
Drehbuch-Routinier Jürgen Werner fällt es gar nicht so leicht, Schimanski in die Geschichte einzuführen. Rüpelhaft wird ihm mittels eines Wohnungseinbruchs bedeutet, einen alten Bekannten im Gefängnis zu besuchen. Der dort einsitzende ehemalige „König vom Pott“ erteilt ihm den Auftrag, seine Tochter Jessica (Muriel Wimmer) zu suchen. Diese ist in die Fänge des „Loverboys“ Nils (Vladimir Burlakov) geraten.
Der Film läuft bereits 20 Minuten, bevor es dann richtig losgeht. Schimanski schnappt sich eine Umzugskiste aus dem obersten Regal und fischt aus ihr seine Feldjacke. „Geht das wieder los“ kommentiert Lebensgefährtin Marie-Claire (Denise Virieux) diese Szene derart lapidar, dass wir uns um die Beziehung der beiden keine ernsthaften Sorgen machen.
Regisseur Kaspar Heidelbach, der zuletzt den Tatort-Quotenerfolgs „Sum Sum Sum“ mit Börne und Thiel inszenierte, geht schonend mit Schimanski um. Manchmal fühlt man sich beinahe an das Komödiantische eines Münsteraner Tatorts erinnert. Als er in einem Hochhaus Anlauf nimmt, die Tür einzutreten, kommt ihm ein hilfreicher Hausbewohner zur Hilfe. Wenn Horst Schimanski sich mit Susanne Mellert durch eine Gruppe muskelbepackter und bewaffneter Zuhälter schlägt, geht das so entspannt zu, dass man sich in erster Linie um den silbergrauen Kult-Citroën sorgt. Und tatsächlich geht bei dieser in Rotterdam spielenden Szene gerade mal ein Rückspiegel zu Bruch.
Rotterdam ist auch in der Realität der wichtigste Kooperationspartner des Duisburger Hafens. Die Szenen aus dem boomenden Rotterdam sind gut an der Skyline zu erkennen, die von modernen Hochhäusern geprägt ist, die teils durch internationalen Stararchitekten errichtet wurden. Die Duisburger Hafenszenen wirken im Vergleich beinahe idyllisch, was das Lamentieren des Schauspielers Götz George über das angeblich verwechselbare Duisburg relativiert. Direkt am Hafenbecken hat Schimanskis Lebensgefährtin ihr Chez Marie Claire (eigentlich das Vereinsheim des Ruhrorter Yachtclubs) eröffnet und bietet Quiche, Crêpe und Ähnliches an. Die Mühlenweide, die Hafenbecken und der Rhein sorgen für großartige Duisburg-Bilder, genauso wie das historische Rathaus der Ruhrgebietsstadt. Das lässt die brennenden Mülltonnen der Eingangsszene, in denen ein junger Niederländer während eines Drogendeals ermordet wird, schnell vergessen (außerdem wurden diese Aufnahmen eh in Köln gemacht, genauso wie beim angeblichen Duisburger Vulkanstraßen-Puff, der im Film nur eine Ansammlung von Wohnwagen ist).
In Schimanskis Duisburg wird viel mit nicht immer leicht verständlichen niederländischem Akzent gesprochen, sowohl auf Seiten der Polizei als auch der Kriminellen. „Wenn ihr die Holländer nicht hättet, dann gute Nacht Deutschland“, betont Hauptkommissar Hans „Hänschen“ Scherpendeel, der für seine Verdienste um die deutsch-niederländische Freundschaft zum Ritter geschlagen wird, aber seltsamerweise immer noch nicht in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen darf.
Die Welt hat sich auch im Ruhrgebiet verändert. „Der Pott der heißt jetzt iPod, die Kohlenzechen sind jetzt Funparks“, stellt Schimanski fest. Nichtdestotrotz ist Duisburg immer noch Europas Stahlstandort Nummer 1, und der Ex-Polizist findet den Weg in das Ruhrorter ArcelorMittal-Werk. Dort wirft er eine Waffe in eine so genannte Chargierpfanne, um sie rückstandsfrei im glühend heißen Stahl verschwinden zu lassen. Wer glaubt, diese Form von beinahe kitschiger „Industrieromantik“ sei Vergangenheit, sieht sich eines Besseren belehrt. Regisseur Heidelbach hätte sich keinen besseren Ort aussuchen können, um Duisburg mit emotionalen Bildern in Szene zu setzen.

Harald Schrapers · 2013    



Fotos: © WDR/Stratmann

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