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HD – ABER KEIN HOCHGLANZ-FERNSEHEN

So fleckig, wie die Schimanski-Jacke auf der Kinoleinwand aussah, sei sie niemals gewesen, sagte Regisseur Hajo Gies bereits vor einigen Jahren am Rande einer Vorführung im Duisburger Filmforum. Die Qualität der Kopie des fernsehhistorischen Klassikers „Duisburg-Ruhrort“ war in einem sehr schlechten Zustand. Inzwischen hat der WDR reagiert. Er restauriert alle 29 Duisburger Tatort-Folgen und sorgt dafür, dass sie in hochaufgelöster Qualität zu sehen sind.

Rhein
Ermittlungen auf dem Wasser.

Der Start war Anfang September 2020 mit der Ausstrahlung von „Duisburg-Ruhrort“. Anlass war das 50. Jubiläum der Tatort-Reihe, das die ARD mit einem „Tatort-Voting“ beging, zu dem aber nur maximal 20 Jahre alte Filme zugelassen waren. „Der ,Tatort-Voting-Event‘ am Sonntagabend sollte kein Tatort-Museum werden“, reagierte die ARD auf Proteste und nahm als versöhnliches Zeichen „Duisburg-Ruhrort“ für einen Freitagabend ins Programm, während die weiteren Duisburg-Folgen im WDR gezeigt werden.

Markt
Wochenmarkt in Duisburg-Ruhrort.

„Schimanski-Tatorte bestechen nach wie vor durch ihre moderne Bildsprache“, sagte der für die restaurierte Wiederaufführung zuständige WDR-Redakteur Frank Tönsmann. Bei Wiederholungen in den vergangenen Jahren sei deutlich geworden, dass das Material einer umfassenden Restaurierung bedarf, um es HD-tauglich zu machen. Die Magnetbänder, die im WDR-Archiv lagern, weisen starke Altersspuren auf. Zudem sei die Abtastungsqualität zu deren Entstehungszeit noch nicht so gut wie heute gewesen. „Die Folgen wurden ja auf Film gedreht. Im ebenfalls archivierten Originalmaterial ist also mehr Information enthalten, als man damals bei der Übertragung auf Magnetbänder herausholen konnte“, erklärte Tönsmann. Nach Sichtung der ersten neu abgetasteten, digitalen Folgen zeigte sich der Redakteur laut WDR-Mitteilung begeistert: „Quantensprung ist ein großes Wort, aber wir haben es auf jeden Fall mit einer sehr deutlichen Verbesserung zu tun.“

Hochfeld
Flächensanierung in Duisburg-Hochfeld.

Trotz HD-Qualität bleibt die 1981 gedrehte Tatort-Folge „Duisburg-Ruhrort“ ein in weiten Teilen düsterer Film. Hajo Gies hatte damals bewusst mit sehr wenig Licht gedreht. „Wir wollten kein Hochglanz-Fernsehen machen“, sagte der Regisseur. Dies sei auch der Grund gewesen, warum direkt in der zweiten Szene ein Fernseher aus dem Fenster geflogen sei. „Dieses Scheißfernsehen, taugt sowieso nix“ war ein Statement. Hajo Gies, die Drehbuchautoren Horst Vocks und Thomas Wittenburg sowie Produzent Bernd Schwamm wollten ein neues Kapitel aufschlagen und das „Pantoffelkino“ der Elterngeneration hinter sich lassen.

Fabrik
Thanner und Schimanski gegen Ausländerfeindlichkeit.

Drehort war Duisburg: eine Stadt, die mit dem Blau der Hafenbecken, dem Grün der Rheinwiesen und dem Grau der Industrieanlagen die spannendste Kulisse für einen Tatort-Neuanfang bot. Kneipen, Markt und Pommesbude des Stadtteils Ruhrort wurden ins Bild gerückt, die sehenswürdige Hafenpromenade neben dem Rheinpegel Ruhrort ist der Ort des ersten Mordes.

Ein großer Teil der Ermittlungsarbeit, die auf und an den Schiffen stattfindet, geschieht im Werfthafen: dem bis 1825 entstandenen ältesten Teil des Duisburg-Ruhrorter Hafens, dem größten Binnenhafen Europas. Auch Schimanskis Wohnung liegt angeblich mitten in Ruhrort. Tatsächlich wurde aber im Duisburger Süden gedreht, am Biegerpark in Wanheim, von wo aus Krupp Rheinhausen in der legendären Eingangsszene mit dem rohen Ei zu sehen ist.

Thanner, Sylvia
Bei Thanner und Sylvia zu Hause.

Das zweite Mordopfer wird im Arbeiterstadtteil Hochfeld in der Siedlung an der Kupferhütte gefunden. Dort hatte damals schon der großflächige Abriss begonnen, heute befindet sich dort zum großen Teil eine Grünanlage. Und die Kneipe „Wolfsschlucht“, die an der Grenze Beeck-Bruckhausen liegt, sorgt für einen Blick auf die Thyssen-Hochöfen, der sich in den Schimanski-Filmen noch über Jahrzehnte wiederholt.

Die Charakterzüge von Horst Schimanski, der in Homberg aufgewachsen ist, werden schon in dieser ersten Folge sehr gut deutlich. Mit Geld kann er schlecht umgehen, mit Kindern, denen er unbefangen begegnet, umso besser. Eher untypisch für den Schimanski, wie wir ihn aus den anschließenden Filmen kennen, ist sein ungezwungenes und forsches Verhalten gegenüber Frauen und sein One-Night-Stand mit der Keipenwirtin. Charakteristischer für den Single (damals sprach man von Junggeselle) ist die Tatsache, dass ihm zuhause die Decke auf den Kopf fällt und er deshalb gerne bei seinem Freund Christian Thanner übernachtet – sehr zum Missfallen von dessen Freundin Sylvia.

Türkischstämmige Schauspieler kommen in den damaligen Tatort-Folgen seltener vor als in der Duisburger Realität – mit Ausnahme von „Duisburg-Ruhrort“, wo Konflikte zwischen linken türkischen Gewerkschaftern und den rechtsextremen Grauen Wölfen einen wichtigen Handlungsstrang einnehmen. Thanner, auf dem ersten Blick konservativ, macht deutlich, dass er politisch linke Überzeugungen hat und sich gegen Ausländerfeindlichkeit einsetzt, als er den Vorabeiter mit schnarrendem Nazi-Ton imitiert.

Am Ende wird ausgerechnet derjenige als Täter festgenommen, der sozial weit unten steht und den das Leben eh schon geschlagen hat. Schimanski hadert an dieser Stelle ein wenig mit Recht und Gerechtigkeit, was in späteren Filmen oft noch viel deutlicher wird.

Die zwischen 1981 und 1985 ausgestrahlten Schimanski-Krimis hat der WDR bereits 2020 in remasterter HD-Qualität gezeigt, inklusive der unmittelbar nach „Das Haus im Wald“ abgedrehten Dominik-Graf-Folge „Schwarzes Wochenende“. Nur „Doppelspiel“ fehlte und wurde im Dezember 2021 nachgeholt und anschließend wurden bis zum finalen „Der Fall Schimanski“ sämtliche weiteren Duisburger Tatort-Folgen remastered ausgestrahlt.

ARD Mediathek: Tatort Schimanski | restauriert in HD

Ruhrpott-Rabauke
Vorher – nachher: Der WDR sorgt für HD-Qualität.

Harald Schrapers · 2020/Aktualisiert 2022   

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